Kontrolle Ladungssicherung

Anmerkungen zum Risikoeinstufungssystem

Rechtskonformes Gebaren bei der Beförderungsdurchführung spart durch schneller ablaufende Kontrollen nicht nur Zeit und insbesondere Bußgelder, sondern ist auch von höchster Bedeutung für den Schutz von Leib und Leben der eigenen Mitarbeiter und aller Menschen, die am Straßenverkehr teilnehmen oder als Fahrgäste an Bord sind. „Schwarze Schafe“ sollen durch ein gesetzlich verankertes Risikoeinstufungssystem identifiziert und Fehlverhalten durch die Aberkennung der persönlichen Zuverlässigkeit sanktioniert werden.

Einführung und Grundlagen

Tote Fahrer (am Stauende), Tote Familien (am Stauende), Unfälle durch verlorene Ladung oder nicht verkehrssichere Fahrzeuge,… Viele Verkehrstote und -verletzte gehen letztlich auf das Konto des Straßengüterverkehrs und auch Unfälle mit Omnibussen sind zu einem gewissen Anteil auf übermüdete Fahrer oder technische Defizite der Fahrzeuge zurückzuführen. Neben den finanziellen Folgen sind es vor allem die psychischen und physischen Langzeitfolgen von Unfällen, die es für alle Beteiligten und direkt oder indirekt Betroffenen zu vermeiden gilt.

Aber auch für den Wettbewerb unter den Akteuren ist es von besonderer Bedeutung, dass sich alle an die Regeln halten. Wer die Pausen und Ruhezeiten abkürzt, länger lenkt und arbeitet als erlaubt oder es mit den anderen zahlreichen Vorschriften nicht sonderlich eng sieht, verschafft sich gegenüber den legal operierenden Wettbewerbern einen Vorteil zu deren Lasten und letztlich auch zulasten der Allgemeinheit.

Um Unternehmer bzw. verantwortliche Personen, die durch ihr Handeln im semiprofessionellen Rahmen andere gefährden oder den Wettbewerb verzerren, aus dem Markt ausscheiden zu lassen, wurde bereits vor vielen Jahren ein Risikoeinstufungssystem entwickelt. Ansatzpunkt ist dabei das Kriterium der persönlichen Zuverlässigkeit. Jemandem, der eine Fachkundeprüfung bestanden hat, die fachliche Eignung verwaltungsrechtlich abzusprechen, ist nicht wirklich möglich. Also setzt man bei der persönlichen Zuverlässigkeit an, die immer dann in Zweifel zu ziehen oder eben auch abzuerkennen ist, wenn jemand in verantwortlicher Position zu viele Verstöße gegen die geltenden Vorschriften zugelassen oder zu verantworten hat.

Am bedeutsamsten sind die Vorgaben, die unter fahrpersonalrechtlichen Gesichtspunkten dazu im Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG zusammengestellt wurden und der Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009. Sozusagen gebündelt und vereinheitlicht wurden die etwas verstreut angesiedelten Verstoßkategorien und Kriterien für die Aberkennung der persönlichen Zuverlässigkeit jedoch in der Verordnung (EU) 2016/403.

Betroffene Rechtsbereiche

Folgende Rechtsbereiche bzw. Rechtsgrundlagen sind Gegenstand des Risikoeinstufungssystems nach der Verordnung (EU) 2016/403:

Sozialvorschriften VO (EG) Nr. 561/2006 und VO (EU) Nr. 165/2014
Arbeitszeitvorschriften Richtlinie 2002/15/EG
Maße und Gewichte Richtlinie 96/53/EG
Technischer Fahrzeugzustand Richtlinien 2014/45/EU und 2014/47/EU
Geschwindigkeitsbegrenzer Richtlinie 92/6/EWG
Berufskraftfahrerqualifikation Richtlinie 2003/59/EG
Fahrerlaubnisrecht Richtlinie 2006/126/EG
Gefahrgutrecht Richtlinie 2008/68/EG
Marktzugangsregelungen VOs (EG) Nr. 1072/2009 und 1073/2009
Tiertransportrecht VO (EG) Nr. 1/2005

Ampelsystem zur Risikoeinstufung

In Deutschland wird zur Risikoeinstufung ein Ampelsystem angewendet (Details auch in der Abbildung nebenan). Wer sich nicht zuschulden hat kommen lassen im Sinne der Verordnung (EU) 2016/403, befindet sich im Risikoeinstufungssystem im grünen Bereich, gilt also als Unternehmen bzw. Person ohne besonderes Risiko. Wenn mehrere und vor allem entsprechend schwere Verstöße rechtskräftig festgestellt geworden sind und der gelbe Bereich erreicht ist, muss das Unternehmen bzw. die verantwortlichen Personen (insb. der Verkehrsleiter) damit rechnen, dass innerhalb von zwei Jahren ein erneutes Marktzugangsverfahren durchgeführt wird, das zu einem Entzug der Erlaubnis führen kann. Als milderes Mittel kann die Behörde die Erlaubnis auch mit Auflagen versehen, diese nur mit einer kürzeren Laufzeit erteilen oder die Anzahl der Abschriften reduzieren. Wer eine der sogenannten Todsünden begangen hat – also einen schwersten Verstoß (MSI – most serious infringement) – oder zu viele sehr schwere Verstöße, befindet sich im roten Bereich und muss damit rechnen, dass die Überprüfung der Markzugangsvoraussetzungen unverzüglich (also ohne schuldhaftes Zögern) durchgeführt wird und natürlich steigt hier auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Aberkennung der persönlichen Zuverlässigkeit und/oder dem Entzug der Erlaubnis kommt, stark an.

Ampelsystem Risikoeinstufung

Berufsverbot und Rehabilitierung

Wenn die persönliche Zuverlässigkeit aberkannt wurde, kommt dies zunächst einem Berufsverbot gleich. Die Urkunde, die die fachliche Eignung nachweist, verliert bis zur Rehabilitation des Verkehrsleiters ihre Gültigkeit. Bis Februar 2022 richtet sich die Frage, ab wann und unter welchen Bedingungen sich ein „verbrannter“ Verkehrsleiter rehabilitieren kann, allein nach den nationalen Regelungen. In Deutschland wird bislang ein Verkehrsleiter mit aberkannter Zuverlässigkeit erst dann wieder die Möglichkeit haben, als Verkehrsleiter aktiv zu sein, wenn die Eintragungen im Gewerbezentralregister gelöscht wurden. In aller Regel beträgt die Frist fünf Jahre. Weiterführende Informationen gibt es beim Bundesamt für Justiz.

Ab dem 21. Februar 2022 gilt aufgrund der Vorgaben der Verordnung (EU) 2020/1055, die Änderungen im Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 zur Folge haben, dass frühestens ein Jahr nach dem Tag der Aberkennung der Zuverlässigkeit eine Rehabilitierung möglich ist – vorausgesetzt, der Verkehrsleiter kann nachweisen, dass er über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten eine geeignete Weiterbildung(?) absolviert oder eine (erneute) Fachkundeprüfung bestanden hat.

Werkverkehr ist nur teilweise betroffen

Die Regelungen zum Risikoeinstufungssystem nach der Verordnung (EU) 2016/403 greifen nur gegenüber Unternehmen, die mit einer Genehmigung gewerblich Güter oder Personen befördern. Unternehmen, die Werkverkehr betrieben, haben keine Genehmigung und keinen Verkehrsleiter und sind deshalb „nur“ vom Risikoeinstufungssystem nach Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG betroffen. Dieses System fokussiert sich allein auf Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten und die Vorgaben zum Fahrtenschreiber, also die Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EU) Nr. 165/2014.

Was ist zu tun?

Welche Maßnahmen helfen, ist stark vom Einzelfall und der jeweiligen Ausgangssituation abhängig. Unternehmen, die regelmäßig Schwierigkeiten mit den Behörden haben und im orangenen oder roten Bereich angekommen sind, werden deutlich mehr Ressourcen über einen längeren Zeitraum aufwenden müssen als Unternehmen, die nur in seltenen Einzelfällen mit den Vorschriften kollidieren. Die Tücke liegt ja auch darin, dass (zumindest auf dem Papier) bereits ein einziger Verstoß dazu führen kann, dass ein Unternehmen von grün auf rot „springt“. Unabhängig von den individuellen Gegebenheiten gibt es aber ein paar besonders wichtigsten Punkte, die immer hilfreich sind, um ein Unternehmen im grünen Bereich zu halten oder es dorthin zu entwickeln. Das sind:

  • geschulte Mitarbeiter,
  • geeignete IT-Tools für die Tourenplanung,
  • hinreichende Personalressourcen, um Planungs- und Kontrollprozesse einzuhalten und
  • vor allem eine Unternehmenskultur, die Verstoßvermeidung als gemeinsames wichtiges Ziel aller Unternehmensbereiche lebt.

Über ein gutes Compliance-Management-System haben Sie sozusagen ihr eigenes internes Risikoeinstufungssystem. Es hilft Ihnen dabei, rechtskonformes Handeln im Alltag zu etablieren und dies vor allem zu dokumentieren, was insbesondere dann von besonderer Wichtigkeit ist, wenn Ordnungswidrigkeiten- oder gar Strafverfahren anstehen. Bekanntlich hat (vor Gericht) nur stattgefunden, was auch dokumentiert ist.

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